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Thomas Hoeffgen x Alberto
Durch die Linse
Shootings für renommierte Sport- und Modelabels, Auftragsarbeiten für internationale Lifestyleagenturen und zwei von der Kritik gefeierte Fotobände – der ursprünglich aus Kiel stammende und mittlerweile in New York beheimatete Fotograf Thomas Hoeffgen zählt zu den umtriebigsten Vertretern seiner Branche. Wir sprachen mit dem 53-jährigen über Fotografie in Zeiten von Instagram, die Lust am freien Arbeiten und darüber, warum er beim Surfen seine Kamera zuhause lässt.
Du bist in Kiel geboren, wohnst aber mittlerweile in den USA. Warum hat es dich dorthin verschlagen?
Um die Frage zu beantworten, muss ich ein bisschen weiter ausholen. Ich bin in Schleswig-Holstein aufgewachsen, fing mit 14 oder 15 an zu fotografieren und habe Anfang der neunziger Jahre eine Fotografenausbildung in Süddeutschland gemacht. Dort lernte ich ein paar Snowboarder kennen, die im Winter ständig in den Bergen unterwegs waren. Sie wollten, dass ich Fotos schieße, ich sagte zu und so kam ich nicht nur selbst zum Snowboarden, sondern auch zur Sportfotografie. Nach nur zwei Jahren bin ich dann schon mit den besten Snowboardern der Welt durch die Gegend geflogen und habe aus Hubschraubern heraus fotografiert. Irgendwann kamen Surffotos und Fashion-Shoots dazu und so bin ich in diese ganze Lifestyle-Fotografie reingerutscht. 1999 war ich schließlich zum ersten Mal in New York und von Anfang an hin und weg von dieser Stadt.
Liebe auf den ersten Blick?
Ja, absolut. Ich wusste, dass das die Stadt ist, in der ich leben möchte, und 2006 war es dann auch so weit. Meine Frau und ich kamen bepackt mit vier Koffern am Flughafen an und dachten, wir würden vielleicht so ein bis zwei Jahre bleiben. Aber wie das so ist, du machst Pläne und das Universum lacht. New York ist für mich immer noch ein wahnsinnig inspirierender Ort, an dem man Kreativität an jeder Ecke aufsaugen kann.

Shooting in der Lüneburger Heide
#coolgermany
Foto: Thomas Hoeffgen
„Our humanity is found in our ability to create a playground wherever we are“ ist ein Zitat von deiner Website. Baust du den Spielplatz mit deiner Kamera oder dokumentierst du ihn?
Beides. Ein Beispiel: Wenn es darum geht, für ALBERTO ein neues Projekt zu realisieren, setze ich mich mit Marco Lanowy zusammen und wir überlegen uns, welchen Platz wir wie bespielen. Beim Shooting bin ich dann derjenige, der das Geschehen auf dem Playground mit der Kamera begleitet. Wichtig ist mir dabei, dass das ganze Team eine gute Zeit hat und sich einbringt. Es macht ja keinen Spaß, alleine zu spielen.
Hast du diesen Spirit von der Sportfotografie mitgenommen?
Ja, das kann sehr gut sein. Als Boardsport-Fotograf dokumentierst du ja nicht nur, sondern bist meistens auch Akteur mit eigenem Brett. Das Spielerische schwingt also immer mit.
Lass uns über Fotografie vor und nach der Digitalisierung sprechen. Was hat sich verändert, wie fotografierst du heute und wie bewertest du die Allgegenwärtigkeit von Fotografie durch Instagram und Co.?
Was war analoge Fotografie doch gleich? (Lacht) Ich vermisse es ehrlich gesagt überhaupt nicht, mit einem Koffer voller Filme durch die Gegend zu fliegen. Digitalfotografie hat meinen Arbeitsalltag einfach unfassbar erleichtert. Man hat jederzeit die volle Kontrolle, kann Ergebnisse in Echtzeit mit Kunden teilen und sofort auf Änderungswünsche reagieren. Das ist in der schnellen Welt des Fotobusiness ein wahnsinniger Vorteil. Für freie Fine-Art-Projekte greife ich immer noch gerne zu meiner analogen Leica. Und was das Thema Instagram und Handyfotografie angeht: Ich finde es super, dass die Leute, die im vordigitalen Zeitalter wahrscheinlich überhaupt nichts mit Fotografie am Hut gehabt hätten, plötzlich anfangen, mit ihrem Telefon zu knipsen. Klar ist das mittlerweile auch ein Stück weit inflationär, aber ich sehe diese Entwicklung eher mit Wohlwollen.

Shooting im Elbtunnel in Hamburg mit dem DeLorean von DMC
#coolgermany
Foto: Thomas Hoeffgen
Ist die Leica auch deine Lieblingskamera?
Die Leica nutze ich wie gesagt vor allem für freie Projekte. Wenn es um Jobs geht, fotografiere ich aktuell am liebsten mit der neuen Nikon Z. Die ist klein, handlich und macht im Handling einfach superviel Spaß. Grundsätzlich bin ich aber kein Tech-Nerd, der immer die allerneuesten Gadgets braucht. Wenn der Winkel und das Licht stimmen, kann man eigentlich mit jeder Kamera gute Fotos machen. Da kommt es vor allem auf Erfahrung an.
Tut sich bei Profikameras technisch denn überhaupt noch viel?

Shooting mit dem Oldtimer Hymer 900. #coolgermany
Foto: Thomas Hoeffgen
Ja, da passiert auf jeden Fall noch einiges. Vor allem, was Auflösung und Lichtempfindlichkeit angeht. Heutzutage kann man ja fast im Stockdunkeln fotografieren, was vor wenigen Jahren noch völlig utopisch gewesen wäre. Das eröffnet wahnsinnig viele neue Möglichkeiten. Zudem werden die Kameras auch immer kleiner und leichter.
Für dein 2009 erschienenes Buch ‚African Arena‘ bist du auf der Suche nach der afrikanischen Fußballseele kreuz und quer durch den Kontinent gereist und hast Stadien und Bolzplätze fotografiert. Wie kam es dazu?
Mit den Arbeiten zu ‚African Arena‘ habe ich 1999 angefangen. Ich hatte einen redaktionellen Auftrag zum Thema Fußball in Nigeria und das war auch gleichzeitig meine erste Reise nach Westafrika. Lagos hat mich sofort nach meiner Landung am Flughafen in seinen Bann gezogen. Eine superfaszinierende Stadt, in der an jeder Ecke gekickt wird. Ich hatte eine analoge Nikon und eine ebenfalls analoge Novoflex-Panoramakamera dabei und habe damit jede Menge Fotos geschossen. Irgendwann erschien das Feature, ich wurde für meine Bilder ausgezeichnet und entschied dann, aus dem Thema ein Buchprojekt zu machen. Ich hatte noch unveröffentlichtes Material von meinem ersten Trip und jedes Mal, wenn ich wieder in Afrika war, habe ich neue Fotos geschossen. Anfangs nur von Fußballplätzen und später dann auch von Spielern. Marco Lanowy und ALBERTO haben mich bei der Realisation des Buchs übrigens sehr unterstützt, und es kam dann einem echten Ritterschlag gleich, als der Hatje Cantz Verlag das Buch veröffentlichen wollte.
Sechs Jahre später trieb es dich für den Nachfolger ‚Roadside‘ die historische Route 66 entlang …
… zusammen mit vier Influencern. Es war ein Kampagnenprojekt für eine Schuhfirma. Wir sind in Chicago gestartet und dann innerhalb von einer Woche über Texas und den Grand Canyon nach Los Angeles gereist. Dabei sind so viele gute Fotos entstanden, dass ich einfach etwas daraus machen musste.
Wie wichtig sind dir freie Projekte?
Sehr wichtig und eigentlich auch immer wichtiger. Ich genieße die Freiheit, mich dabei kreativ völlig entfalten zu können. Aktuell arbeite ich an zwei Projekten. Beim ersten geht es um Umweltschutz und Nachhaltigkeit, ein Thema das mich schon lange umtreibt. Ich wäre vor ein paar Jahren einmal fast ertrunken was in Folge seltsamerweise aber nicht zu Ängsten, sondern zu einer tiefen Liebe zum Element Wasser, unserer Erde und diesen Spielplatz namens Lebens führte. Und dann habe ich mit meiner Leica noch eine Geschichte gemacht, bei der ich mich von der Serie ‚Schitt’s Creek‘ habe inspirieren lassen.

Shooting auf dem Gestüt Röttgen in Köln
#coolgermany
Foto: Thomas Hoeffgen
Wie verbringst du deine Freizeit? Ist die Kamera immer mit dabei oder lässt du sie bewusst zu Hause?
Im Winter schlaf ich gerne etwas länger, aber im Sommer stehe ich schon gegen 5 Uhr auf und gehe nach einer kurzen Meditation, etwas Stretching und einer richtig guten Tasse Kaffee bei guten Wellen erst einmal eine Runde Surfen. Um 8 Uhr sitze ich dann meist schon am Schreibtisch, wo ich in den folgenden Stunden meine To-dos abarbeite. Und dann möchte meine Tochter natürlich auch noch ein bisschen Zeit mit ihrem Vater verbringen. Stichwort Kamera: Wenn ich unterwegs bin, habe ich ja immer ein Handy dabei, also habe ich auch immer eine Kamera am Start. Zudem ist die Leica auch häufig mit in der Tasche. Man weiß schließlich nie, über welche Motive man so zufällig stolpert.
Hast du schon mal auf dem Surfbrett fotografiert?
Beim Surfen habe ich keine Kamera dabei, obwohl ich in jeder gesurften Welle tausende von Fotomöglichkeiten sehe. Aber es ist wichtig auch mal Abstand vom Alltag zu bekommen und den finde ich definitiv im Wasser. Keine Kamera, dafür aber tolles Licht und dieses wunderbare Rauschen der Wellen.
Du shootest schon sehr lange für ALBERTO. Was zeichnet die Zusammenarbeit aus?
Marco habe ich bei einem Shooting mit dem Golf-Pro Alex Cejka in Florida kennengelernt, als ALBERTO gerade mit Golfhosen durchstartete. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden, und daraus haben sich nicht nur eine Menge gemeinsamer Projekte und eine enge Zusammenarbeit, sondern auch eine tolle Freundschaft entwickelt. Die Beziehung zu ALBERTO ist für mich aus vielen Gründen absolut einzigartig. Ich habe noch nie so lange, so konstant und so eng mit einem Kunden zusammengearbeitet. Wir stehen in einem regen kreativen Austausch, der weit über meine eigentliche Arbeit für das Label hinausgeht, und das macht die ganze Sache so wunderbar rund. So kam dann auch die Idee auf, die Kollektionen unter dem Hashtag #coolgermany ausschließlich in Deutschland zu fotografieren. Und das über Jahre mit einer ganz eigenen Bildsprache und dem gleichen eingespielten Team. Marco denkt ALBERTO nicht von Saison zu Saison, sondern sehr langfristig, und das zahlt sich für die Brand definitiv aus.
Sind Modefotografen automatisch auch modeinteressiert? Wie stehst du zum Thema Fashion?
Ich liebe meine Baseball-Caps und meinen Rollkragenpullover für kalte Wintertage. Ansonsten bin ich zwar kein Fashion Victim, aber durchaus modisch interessiert. Allerdings kickt mich dabei der Trendaspekt weniger als die handwerkliche Raffinesse und die Wertigkeit eines Styles. Mit ALBERTO-Hosen bin ich in der Hinsicht bestens bedient.