Greg Kheel x Alberto
The Idealist
International gebuchtes Model, Qigong-Lehrer, Aktivist in Sachen Nachhaltigkeit – der US-Amerikaner Greg Kheel ist ein Mann mit vielen Talenten. Warum ihn Glamour nicht sonderlich beeindruckt, was er an der Mode schätzt und weshalb das Teilen von Wissen heute wichtiger denn je ist, erklärt er im Interview.
Greg, du arbeitest seit Jahren erfolgreich im internationalen Model-Business. Wie kam es dazu? Hat dich Mode schon immer interessiert?
Mode eigentlich weniger, aber seit ich mich erinnern kann, fand ich die Funktionalität von Bekleidung ziemlich spannend. Schon als Kind habe ich an meinen Klamotten rumgewerkelt, um sie für das, was ich mit ihnen vorhatte, in Form zu bringen. Da wurden dann auch mal die Ärmel eines Shirts abgeschnitten oder ein Stofflappen als Extratasche auf eine Hose genäht. Eigentlich wenig verwunderlich, dass ich Jahre später ein Ingenieursstudium an der Universität angefangen habe. Ein Freund von mir war mit einem Model zusammen und sie war fest davon überzeugt, dass ich auch das Zeug zum Modeln hätte. Ich fand das alles zwar irgendwie interessant, aber machte mir keine wirklichen Gedanken darum. Schließlich wollte ich Ingenieur werden.
Zum Ende meines Studiums hatte ich dann eine echte Sinnkrise. Ich sah mich bis zur Rente in einem Büro sitzen und an komplizierten mathematischen Problemen tüfteln, ohne je dieses andere Leben, was draußen vielleicht auf mich warten würde, ausprobiert zu haben. Also ließ ich mich dazu überreden, an einem großen Casting teilzunehmen. 800 Leute waren da und 40 Agenturen, und am Ende des Tages wollten mich 14 der Agenturen unter Vertrag nehmen. Ich bin dann von Florida nach Los Angeles gezogen, denn mir war nicht klar, dass das Herz der amerikanischen Modebranche in New York schlägt. Naja, zumindest war das Wetter gut. Nach einigen Jobs im TV- und Musikvideo- Bereich ist eine Mailänder Agentur auf mich aufmerksam geworden, ich zog nach Italien und arbeitete quasi jeden Tag bei irgendwelchen Shootings.
Hattest du deine Zukunft als Ingenieur da schon ad acta gelegt?
Nicht wirklich. Eigentlich sah ich das Modeln weniger als Karrieremöglichkeit denn als Auszeit von der Uni, um den Kopf freizubekommen. Um ein bisschen was von der Welt zu sehen und mir zu überlegen, was ich wirklich vom Leben möchte. Ein Freund öffnete mir dann die Augen, als er mir sagte, dass ich einen Traum leben würde, den man nicht so einfach aufgeben darf. Danach bin ich das Modeln als Job ernsthafter angegangen und hatte ziemlich schnell weltweit Agenturen, die mich unter Vertrag nahmen.
Du bist viel unterwegs und lebst dabei wahrscheinlich die meiste Zeit aus dem Koffer. Wie sieht dein Alltag aus, wenn du zu Hause bist? Wie wohnst du, was kochst du, wo kaufst du ein?
Ich lebe mit meiner Frau in einem kleinen Bauernhaus auf dem Land in der Nähe von Porto. Gemüse und Früchte beziehen wir von biologisch anbauenden Farmern aus unserer Gegend und auch alles was wir sonst so für unseren Alltag brauchen kaufen wir möglichst lokal und unter nachhaltigen Gesichtspunkten. Wir führen ein eher bescheidenes Leben ohne großen Glamour.
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Das hört sich ziemlich bodenständig an. Bist du auch so aufgewachsen?
Ja, auf jeden Fall. Ich bin ein Dorfkind aus Nordflorida, das seinen Eltern immer helfen musste, wenn die Ernte anstand oder irgendwelche Reparaturen zu machen waren. Damals fand ich das natürlich ziemlich nervig, aber im Endeffekt haben mich diese Erfahrungen nachhaltig geprägt. Mein Vater ist Native-American, und er nahm mich bereits im Alter von sechs oder sieben Jahren mit auf die Jagd. Er brachte mir bei, das erlegte Wild auszunehmen, und von ihm lernte ich auch, mich in der Wildnis zurechtzufinden. Im Gegensatz zu vielen Großstadtamerikanern weiß ich also, wo mein Essen herkommt, wie es gejagt oder geerntet wird und wie es zubereitet werden muss.
Vegetarismus oder Veganismus ist kein Thema für dich?
Doch, durchaus. Auf dem Höhepunkt meiner Modelkarriere wohnte ich eine Weile in New York und die Stadt fraß mich trotz all des Erfolgs, den ich hatte, Stück für Stück auf. Ich flüchtete schließlich nach Bali, fand dort wieder zurück zur Natur und lebte auch eine Zeit lang vegan. Heute bin ich wahrscheinlich das, was man einen Flexitarier nennt. Mein Körper sagt mir, was er braucht, und darauf höre ich. Veganismus ist großartig, wenn man seinen Körper reinigen will. Es sei denn, man ernährt sich dabei ausschließlich von veganem Junkfood. Ich faste übrigens sehr viel. Das ist wahrscheinlich das Beste, was man für Körper, Seele und Geist tun kann.
Lass uns ein wenig mehr über Nachhaltigkeit reden. Inwieweit hat dich dein Job in der Fashion bei diesem Thema sensibilisiert? Schließlich steht die Modebranche direkt nach der Erdölindustrie auf Platz zwei der schmutzigsten Industrien.
Ich habe auf meinen Reisen überall die Auswirkungen unserer Lebensweise gesehen. Die Abholzungen, die Umweltverschmutzungen und den ganzen Müll in den Flüssen und Meeren, der selbst die entlegensten Gebiete unserer Erde längst erreicht hat. Das ist für mich sehr schwer zu ertragen und hat letztendlich dazu geführt, dass ich keine Werbung mehr für Firmen oder Produkte mache, die einem nachhaltigen Lifestyle entgegenstehen. Diese ganze Fast Fashion mit ihren billigen und minderwertigen Produkten ist eine Ressourcenverschwendung, die wir uns einfach nicht mehr leisten können. Ich brauche nicht viel und gebe lieber etwas mehr Geld für Produkte aus, die lange halten. Wenn dann irgendetwas kaputtgeht, wird es halt repariert. Ich habe Hosen, die sind fast 15 Jahre alt und voller Flicken. Für manche mag das ärmlich aussehen, aber für mich sind das Charakternarben, und genau deshalb sind es dann auch meine Lieblingspants.
Aber noch mal zurück zur Modebranche. Gerade weil sie so schmutzig ist – angefangen beim Rohstoffanbau über die Färbungen und Waschungen bis hin zum Transport und der Verpackung – bietet sie auch viele Möglichkeiten für positive Veränderungen, und ich will hier Teil der Lösung statt Teil des Problems sein. Ich bin mit vielen Leuten aus verschiedensten Bereichen vernetzt und wir tauschen uns ständig über solche Themen aus. Das ist ein konstanter Lernprozess, nicht nur in Sachen Mode, sondern im Hinblick auf sämtliche Fragen, die das weitere Leben auf unserem Planeten betreffen. Um hier weiterzukommen, müssen wir zusammenarbeiten, anstatt in einen Wettbewerb zu treten, und ich habe das Gefühl, das verstehen immer mehr Menschen.
Qigong, die alte chinesische Meditations-, Konzentrations- und Bewegungskunst, spielt in deinem Leben eine große Rolle. Mittlerweile praktizierst du nicht nur, sondern lehrst auch.
Ich habe schon immer viel mit meinem Körper gearbeitet. Als Teenager habe ich bis zu einer Verletzung mit Gewichten gearbeitet, dann kam Bodyweight-Training, später für einige Jahre Yoga und schließlich habe ich Qigong für mich entdeckt. Es ist Yoga gar nicht so unähnlich, weil es auch ein energetischer Prozess ist, der allerdings mit einigen anderen Elementen kombiniert wird. Qigong wirkt sich nicht nur auf meinen Körper, sondern auf mein gesamtes Leben aus. Ich lerne, über Grenzen zu gehen und daran zu wachsen. Die täglichen Meditationen und Körperübungen haben mich zu einer wesentlich ruhigeren und gelasseneren Person werden lassen. Mittlerweile gebe ich mein Wissen darüber als Lehrer weiter. Aktuell nur privat und auf Events. Im nächsten Jahr werde ich, wenn alles gut läuft, zudem wohl auch noch einige Online-Kurse anbieten.
Wo siehst du dich in zehn, 20 Jahren?
Ich bin gerade erst 35 Jahre alt und glaube, dass ich noch eine ganze Weile als Model arbeiten kann. Ansonsten sehe ich mein Leben gerne als Klavier. Es gibt viele Tasten, die man richtig bespielen muss, damit gute Musik herauskommt. Ich mag es, ganz unterschiedliche Projekte anzugehen, sei es nun Modeling, Qigong oder den Hof in Nordportugal, den wir derzeit zu einem Retreat für eine nachhaltige Lebensweise umbauen und der, wenn alles gutgeht, Ende 2021 oder Anfang 2022 eröffnet wird. Zudem würde ich auch jenseits des Modelns gerne tiefer in die Mode einsteigen. Ich würde gerne mein Wissen teilen, um Schritt für Schritt positive Veränderungen zu bewirken und die Welt zu einem besseren Ort zu machen.